AKTUELLES SCHULEWIRTSCHAFT Saarland

Interviews

Hier erfahren Sie alles Wissenswerte rund um unsere Interviews im Rahmen unserer SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeit im Saarland.

SCHULEWIRTSCHAFT Saarland zu Besuch bei ...

Matthias Harig, ZF Saarbrücken

Neue Ausbildungsberufe im Fokus: Was macht ein/-e Produktionstechnologe/-technologin?

Herr Harig, Sie bilden am Standort Saarbrücken 211 Auszubildende in den Berufen Mechatroniker, Industriemechaniker, Zerspanungsmechaniker, Fachkräfte für Metalltechnik, Werkzeugmechaniker, Industriekaufleute und Produktionstechnologen aus? Was ist das Besondere an der Ausbildung Produktionstechnologie?

Dieser Beruf ist im Saarland ganz neu und er wird im ganzen ZF-Konzern nur am Standort Saarbrücken ausgebildet.

Wir konnten als einziges Ausbildungsunternehmen mit nur 8 Azubis in diesem Beruf zusammen mit unserem dualen Partner mit einer Sondergenehmigung des Ministeriums für Bildung und Kultur eine eigene Landesklasse am TGBBZ in Sulzbach bilden.

Unser Team hat sich zusammen mit der Unternehmensleitung vor einiger Zeit für die Einführung dieses Berufsbildes entschieden, weil die Digitalisierung in unserem hochautomatisierten Produktionsumfeld an Fahrt aufgenommen hat. Wir glauben, dass es bei der schrittweisen Etablierung von „Industrie 4.0“ komplett neue Ausbildungsberufe braucht. Sogenannte Ergänzungsinhalte einzelner Berufe, z.B. bei den klassischen Monoberufen wie z.B. dem Zerspanungsmechaniker, würden den bereits sehr vollen Ausbildungsplan überfrachten.

In Zukunft ist neben einem besseren Verständnis der schlanken und hocheffizienten Produktion vor allem ein fachübergreifendes Wissen unserer Mitarbeiter gefragt.

Die Aufgaben eines Produktionstechnologen sind daher sehr vielfältig. So muss z.B. das notwendige Können eines Instandhalters von morgen sich aus drei Komponenten zusammensetzen: Er muss erstens Neuland betreten, zum Beispiel Produktionsnetzwerke analysieren, überwachen und erweitern. Er muss zweitens bei bestimmten Tätigkeiten mit einem IT-Zuwachs zurechtkommen, unter anderem beim Überprüfen von Schnittstellen und Komponenten. Er muss drittens, nach wie vor, ein großes Verständnis für die Mechanik besitzen, um etwa mechanische Baugruppen zu montieren oder zu demontieren.

Zusammengefasst ist der Produktionstechnologe der kompetente Ansprechpartner in modernen IT-gestützten Fertigungsbereichen.

Je nach Einsatzgebiet:

  • richtet er Produktionsanlagen ein und
  • nimmt diese in Betrieb,
  • er nimmt an industriellen Planungsprozessen teil,
  • er betreut komplexe Produktionsprozesse optimiert und dokumentiert diese,
  • er testet Produktions- und Prüfverfahren, Werkzeuge und Maschinen,  
  • er nutzt bei seiner Arbeit IT-Systeme und berücksichtigt auch dabei die wirtschaftlichen Aspekte

Welche weiterführenden Karrierewege bietet dieser Ausbildungsberuf?

Je nach Einsatzbereich und Bedarf kommen derzeit verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten in Frage:

  • Prozess- oder Applikationsexperte/-in
  • Geprüfte/-r Prozessmanager/-in Produktionstechnologie

Aufgrund der breit gefächerten Fachkompetenz kommen auch klassische Fortbildungen wie Meister/-in , staatl. Geprüfter  Techniker/-in oder  der Bachelor of Engineering in Frage. Die späteren Einsatzbereiche nach dem Erreichen der Abschlussprüfung sind:

  • Fertigung
  • Montage
  • Qualitätssicherung
  • Instandhaltung
  • Versuchswerkstätten
  • Kundendienst

Was erleben Sie im Austausch mit den Schülern?

Der Übergang von Schule in das berufliche Leben ist für alle Beteiligten nicht immer ganz leicht. Vielleicht haben wir als Ausbilder oder Lehrer diese wichtige Lebensphase einfach vergessen oder es fällt uns heute nach so langer Zeit schwer, sich in die Schüler hinein zu versetzen.

Es stehen nun generationsbedingt andere Interessen der Schüler im Vordergrund.
Verdienst- und Karrieremöglichkeiten spielen eher eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger für die Schüler sind individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und dass es keine starren Hierarchieebenen gibt. Flexible Arbeitszeiten werden auch häufig als motivierend empfunden. Ein hoher Grad an selbstständigem Arbeiten und angemessene Entscheidungsfreiräume spielen bei der Berufswahl ebenfalls eine große Rolle.

Wir beobachten, dass sich Schulklassen, die uns im Rahmen einer Kooperation oder eines Betriebsausfluges besuchen, mehr auf die zwischenmenschlichen Aspekte achten als auf die eigentlichen Inhalte eines Ausbildungsberufes.

„Warum tragen Ihre Azubis bunte T-Shirts?“
„Warum gibt es bei Ihnen Gruppenarbeit?“
„Was passiert, wenn ein Azubi einmal einen Fehler macht?“
„Was passiert, wenn man gute Noten hat?“

Sogar Verbesserungsideen wurden von den Schülern in den gemeinsamen Diskussionen eingebracht. So werden jetzt bei uns dauerhaft gute Leistungen mit zusätzlicher Freizeit belohnt.
 

Wo liegen Ihrer Meinung nach derzeit die größten Herausforderungen der Nachwuchsgewinnung?

Der Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren noch ausweiten. Immer mehr Jugendliche streben eine akademische Ausbildung an und dies in Zeiten zunehmender Anforderungen und Komplexität in den einzelnen Berufen. Heute kann sich die „Generation Z“ bei guten schulischen Leistungen seinen Arbeitgeber frei auswählen und die Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich für den Bewerbermarkt attraktiv machen zu müssen. Das bedeutet, dass Rekrutierungsstrategien zielgruppengerecht angepasst oder ganz anders gedacht werden müssen.

Wir haben deswegen unser Auswahlverfahren verändert und führen nicht nur wie früher den klassischen Einstellungstest im Sinne einer Wissensabfrage durch.
So werden nun die Kompetenzen der Bewerber in einer halbtägigen Veranstaltung in kleinen Workshops analysiert. Der Bewerber kann sich schon sehr früh in der Bewerberphase mit seiner Sozial- und Methodenkompetenz in echte Unternehmensprozesse einbringen. So führen wir in unserem Gruppenauswahlverfahren z.B. App-basierte Schnitzeljagden mit Tablets in unserem neuen Ausbildungszentrum durch. Die Teilnehmer halten vor einem Publikum interessante digitale Produkt- und Unternehmenspräsentationen. Sie halten Impulsvorträge oder müssen ihren Teamgeist und ihre Geschicklichkeit in verschiedenen Indoor-Übungen unter Beweis stellen.

Ein Highlight ist das Ausdrucken eines Einkaufchips mit einem 3D-Drucker. Hierzu werden die zukünftigen Azubis von einem Trainer via Remote-Verbindung fachgerecht angeleitet. Durchfallen kann man in dieser Phase des Auswahlverfahrens übrigens nicht - nur die Stärken eines jeden Teilnehmers werden dokumentiert.

Des Weiteren stellt dieses neue Gruppenauswahlverfahren eine wesentliche Vorbereitung auf das später folgende Interview dar, da viele typische Interviewfragen bereits im Rahmen dieser Gruppenarbeiten beantwortet wurden.

„Wie funktioniert ein Automatikgetriebe?“
„Was macht ein Industriemechaniker?“
„Wie ist die ZF entstanden?“


Was sollten potenzielle Bewerberinnen und Bewerber mitbringen?

Für die Ausbildung benötigt man in der Regel einen guten mittleren Bildungsabschluss.
Für manche Berufe genügt auch ein qualifizierter Hauptschulabschluss, z.B. Zerspanungsmechaniker oder Fachkraft für Metalltechnik.

Neben guten Noten und wenig Fehlzeiten sollten unsere Bewerber vor allem technisches Interesse, Teamfähigkeit und natürlich jede Menge Neugier mitbringen.

Die reguläre Ausbildungszeit für einen Produktionstechnologen dauert 3 Jahre. Andere Berufe, wie z.B. Industriemechaniker, Mechatroniker etc. dauern 3,5 Jahre, können aber bei guten Leistungen um ein halbes oder ein ganzes Jahr verkürzt werden.
Genauso wichtig wie der Umgang mit Werkzeugen, Werkstoffen und Maschinen ist die soziale Qualifikation. Die Produktion am Standort, die über Fertigungsinseln in Teams organisiert ist, erfordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Engagement. Wenn man nach seiner Ausbildung bei uns arbeiten möchte, muss man die Voraussetzungen hierfür erlernt haben: Selbständigkeit, Initiative und Teamarbeit. Seit 1993 ist daher die projektorientierte Gruppenarbeit integraler Bestandteil des Ausbildungsplans und wird von uns aktiv gefördert.

Nur wer miteinander arbeiten und reden kann, wer konfliktfähig ist, wer sich in der Gruppe darstellen kann, wird auf Dauer erfolgreich seinen Berufsweg gehen können. Neben der Vermittlung von fachlichen Ausbildungsinhalten ist uns deshalb die Entwicklung und Förderung der persönlichen Fähigkeiten und der Umgang mit anderen sehr wichtig. Wir nennen das "teamZEIT". Daher geht es am Anfang des ersten Ausbildungsjahres für eine Woche zum Kennenlernen nach Saalbach in Österreich. In Workshops und bei verschiedenen sportlichen Aktivitäten erlernen unsere Azubis alles, was echte Teamplayer wissen müssen.

Eine besondere Attraktion unseres neuen Ausbildungszentrums soll nicht unerwähnt bleiben:

Der I4.0-Showroom, welcher I4.0-Technik wie beispielsweise drei KUKA-Roboterzellen, einen 3D-Drucker, ein E-Shopfloor-Management Cockpit, eine automatisierte Werkzeugausgabe sowie systemgestützte Montage und Qualitätskontrolle ermöglicht, ist ein absolutes Highlight in der Ausbildung in Saarbrücken. Die meisten technischen Ausbildungsberufe durchlaufen während ihrer Ausbildungszeit diese Station, um Einblicke in eine voll digitalisierte Produktion zu gewinnen.

Bewerben kann man sich online auf unserer Homepage:
www.zf.com/ausbildung/saarbruecken


Sie stehen im engen Austausch mit den Schulen und engagieren sich kontinuierlich in SCHULEWIRTSCHAFT-Projekten. Was macht für Sie eine gelungene Kooperation aus?

Wir pflegen seit vielen Jahren verschiedene vertrauensvolle Kooperationen mit Schulen aus der Region Saarland und Lothringen.

Die über zehnjährige Kooperation K.U.S.S. (Kooperation Unternehmen System Schule) mit der Gemeinschaftsschule im Rastbachtal unter der Schirmherrschaft des ehemaligen saarländischen Ministers für Bildung und Kultur, Herr Commerçon, ist durch eine besonders intensive Zusammenarbeit geprägt.

Die Schüler der Klassenstufe 7 bewerben sich für dieses 12-monatige Projekt. Das Ziel ist es, durch mittelfristige Projektphasen in Schule und Betrieb Interesse für technische Berufe zu erwecken und sich bereits sehr früh für einen echten Ausbildungsplatz zu qualifizieren. Die 19 Schüler entdecken dann, wie es ist, zusammen mit unseren Azubis ein präzises Bauteil nach Industrievorgaben mit unseren Fertigungsmaschinen anzufertigen. Dabei lernen sie nicht nur die Azubis und Ausbilder kennen, sondern nehmen an Unterweisungen, Kursen und Gruppenarbeiten etc. teil. Abschluss dieses Projektes ist ein besonderes Bewerbertraining und die anschließende Teilnahme an unserem kompletten Auswahlverfahren.

Weitere langjährige Kooperationspartner sind die Gemeinschaftsschule Bellevue und die Katharine-Weissgerber-Schule. Hier geht es um die regelmäßige Vermittlung von Schülerpraktika und die Durchführung von Bewerbertrainings in einem Kompetenzfeststellungsverfahren, das von der Caritas FoHö organisiert wird.

Es gibt auch eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit französischen Berufsschulen in der Grenzregion: Das Lycée Polyvalent Condorcet in Schöneck und Lycée des Métiers in Forbach.

Im Rahmen dieser Zusammenarbeit vermitteln wir für Deutsch sprechende französische Berufsschüler Praktika in unserer Produktion oder führen in einer ausgewählten Klasse bilinguale Projekte durch, wie z.B. ein gemeinsames Arbeitssicherheitsseminar in Deutsch und Französisch.

Das Wichtigste in einer solchen vertrauensvollen Zusammenarbeit ist, dass beide Partner das gleiche Verständnis der angestrebten Erwartungen haben und daraus gemeinsame Ziele ableiten. Diese müssen verbindlich verfolgt werden. Kennzeichnend für erfolgreiche Kooperationen sind der Ausbau, die ständige Weiterentwicklung der Angebote und natürlich muss diese Art der Zusammenarbeit mit den Projektpartnern auch Freude bereiten.

Ausbildung ZF Saarbrücken